Der Bau von Aufzügen für den Bahnhof Zorneding erweist sich leider als extrem teuer – im Mindestfall würden es rund vier Millionen Euro sein und eine der jetzt präsentierten Machbarkeitsstudien prognostiziert sogar 7,4 Millionen Euro. Kosten, die wir Bürger von Zorneding aufbringen müssten – also je nach Variante rund 440 bis 820 Euro je Einwohner (vom Säugling bis zum Rentner).
Doch einfach mal der Reihe nach: Im Gemeinderat von Zorneding wurden am 30.4.2015 nicht weniger als 4-1/2 Aufzugskonzepte für einen verbesserten barrierefreien Zugang des Bahnsteigs diskutiert. Vorgestellt wurden zunächst von Andreas Burkert vom TÜV-Rheinland vier Varianten:
Dieser östliche Treppenabgang am Zornedinger Bahnhof müsste im günstigsten Planungsvorschlag einem Aufzug weichen.
(Foto: Peter Pernsteiner)
Variante 1 ist mit grob geschätzten Baukosten von bis zu 3,97 Mio Euro der billigste Bahnhofsumbau: Am Bahnsteig müsste hierzu der östliche Treppenabgang durch einen Aufzug ersetzt werden. In Pöring würde links vom jetzigen Fuß des Treppenabgangs ein Aufzug entstehen und oben daneben ein kleiner Zugang. Auf der Zornedinger Seite müsste der jetzige Fußpunkt der Treppe um etwa einen Meter nach Süden, damit dort dann der Aufzug zur Parkplatzebene hin passt. Die Treppe müsste gemäß den heutigen Vorschriften wohl um mindestens drei Meter nach Süden verlängert werden. Am jetzigen östlichen Bereich des Parkplatzes mit den beiden Behinderten-Stellplätzen wird es dadurch deutlich enger. Für zu Fuß ankommende Gehbehinderte und Eltern mit Kinderwagen bleibt bei dieser Lösung in Zorneding allerdings auch noch eine Treppe zur Bahnhofstraße zu überwinden oder es würden weitere Kosten entstehen.
Varante 2 käme mit nur einem Aufzug aus, würde aber dennoch 7,23 Mio Euro verschlingen. Dafür würde der Aufzug dann zusätzlich zu den beiden Treppen zum Bahnsteig führen. Allerdings wäre dieser Aufzug fast 20 Meter östlicher als, die aktuelle Ost-Treppe, also noch hinter dem jetzigen verglasten Wartebereich. Am Fuß des Aufzugs würde es dann zunächst unter Gleis 5 auf die Pöringer Seite gehen und dann unterirdisch weiter bis zum jetzigen Treppenaufgang in Pöring. Diese Treppe würde dann allerdings durch eine mehr als 90 Meter lange neu zu bauende Rampe in Richtung Parkplatz ersetzt werden. Auf der Zornedinger Seite enthält der Vorschlag einerseits eine um rund drei Meter nach Süden versetzte neu überdachte Treppe und andererseits östlich davon eine Zickzack Rampe mit vier jeweils rund 20 Meter langen Rampenbereichen. Wie diese unüberdachte Rampe im Winter schneefrei gehalten werden kann, ist sehr fraglich. Zudem verläuft diese Zickzackrampe bis knapp vor die Treppe zur Bahnhofstraße. Der gesamte östliche Parkplatz inklusive Behinderten-Stellplätzen wäre damit nicht mehr nutzbar.
Variante 3 schlägt für 7,41 Mio Euro eine komplett neue zusätzliche Fußgängerunterführung am östlichen Ende des Bahnsteigs vor und beinhaltet sowohl am Bahnsteig als auch an beiden Seiten eine Treppe sowie einen Aufzug. Allerdings stellt sich sehr die Frage nach dem Sinn dieser Variante, weil sie in Pöring mitten im unbebauten Hügelbereich enden würde und in Zorneding am schmalen Neukirchner Weg.
Variante 4 für 7,03 Mio Euro sieht schließlich eine Fußgängerbrücke über alle Gleise vor und enthält zum Bahnsteig sowohl eine Treppe als auch einen Aufzug. Der Aufzugseingang am Bahnsteig würde sich ziemlich genau in der Mitte zwischen dem heutigen Rampenbeginn und den Fahrscheinautomaten befinden. Nachdem leider die Brücke wegen der Oberleitung ein Niveau von fast acht Metern über dem Bahnsteig hätte, bräuchte die nach Osten verlaufende Treppe drei Zwischenpodeste. Auf der Pöringer Seite schlägt die Studie eine 210 Meter lange Rampe mit 3 Prozent Steigung vor. Auf der Zornedinger Seite könnte eine etwa 150 Meter lange Rampe mit einer Zwischenkehre entstehen, di dann am Parkplatz endet. Bei dieser Fußgängerbrücke und Rampe stellt sich aber die Frage, wie sie im Winter schnee- und eisfrei bleiben kann, denn die Kostenschätzung enthält kein Dach für die Brücke.
Für alle vier Varianten rechnete uns der Verfasser der Studie vor, dass eine Realisierung solcher Projekte in der Regel mehr als fünf Jahre dauert. Selbst bei unverzüglichem Start würden wir hier in Zorneding noch mindestens bis zum Sommer 2020 auf unsere Aufzüge warten müssen.
Danach bat Werner Hintze von der SPD darum, noch einmal das auf einer Parteiveranstaltung vor geraumer Zeit präsentierte Brückenkonzept erläutern zu dürfen. Die SPD würde ihre Brücke anstelle der jetzigen Unterführung situieren wollen. Sie schlägt für die Pöringer Seite wie bereits in Variante 4 eine Rampe vor, allerdings mit den üblichen 6 Prozent Steigung (also deutlich kürzer) und dafür zusätzlich mit einer Treppe. Auf der Zornedinger Seite würde diese Brücke Richtung Süden über den Parkplatz hinweg verlängert und in diesem Bereich gleich mit 6 Prozent Gefälle verlaufen. Am Ende dieses Brückenbereichs kurz vor der Bahnhofstraße könnte dann nach Osten eine Treppe zur Bahnhofstraße und/oder zum Parkplatz herab geführt werden und nach Westen eine Rampe herunter zur Nordseite der Bahnhofstraße, an der dann in diesem Bereich ein Gehweg und/oder eine neue Bushaltestelle entstehen könnte. Insgesamt müssten bei dieser Variante wohl von Gehbehinderten und Kinderwagenfahrern etwa 6,5 Höhenmeter überwunden werden – die Zornedinger Rampe wäre dadurch also rund 135 Meter lang. Die SPD schätzte, dass diese Brückenvariante wegen der deutlich kürzeren Pöringer Rampe etwa 1 Mio Euro billiger kommen müsste, als Variante 4. Allerdings hat auch diese Brücke noch keine Überdachung für den Winter.
Schlussfolgerungen des Gemeinderats
Alle fünf am 30. April diskutierten Varianten sind alles andere als optimal und kosten dennoch gewaltig viel Geld, weil die Bahn natürlich nicht bereit ist, unsere Ideen und Wünsche auf deren Kosten zu verwirklichen. Die Bahn zieht sich nämlich auf den Standpunkt zurück, dass wir bereits Rampen haben. Man muss zwar eingestehen, dass diese Rampen leider für die Zornedinger wegen der etwa 45 Meter langen Zwischensteigung (auf der Pöringer Seite unmittelbar nach der Unterführung) und dem darauf folgenden ebenso langen Gefälle unsinnig in die Länge gezogen wird. Aber der knapp 300 Meter lange Rampenweg von der Bahnhofstraße zum Bahnsteig (und auch die nördliche Rampe hoch nach Pöring) hat überall eine Steigung von maximal 6 Prozent. Er entspricht damit fast den aktuellen Vorschriften für behindertengerechte Rampen – bis auf die Tatsache, dass es keine Zwischenpodeste zum ausruhen gibt, die aber auch die Rampen um 20 bis Prozent verlängern würden.
Hinsichtlich der hohen Kosten für eine Aufzugslösung ist also durchaus nachvollziehbar, dass wir im Gemeinderat am 30.4. mit 16:1 Stimmen beschlossen haben, keine der vier Machbarkeitsstudien weiter zu verfolgen. Auch das Konzept der SPD fand im Gemeinderat keine Zustimmung und für einen Aufschub der Entscheidung um ein paar Monate gab es ebenfalls keine Mehrheit.
Bahnhof noch nicht vollständig barrierefrei
Treppenabgänge am Bahnhof Zorneding: Von den 35 cm breiten Beton-Treppenwangen bleiben
– links (Norden) 1,86 m bis zur Bahnsteigkante
– rechts (Süden) 1,73 m bis zur Bahnsteigkante
(Foto: Peter Pernsteiner)
Allerdings habe ich im Verlauf der Sitzung darauf hingewiesen, dass unser existierender Bahnsteig der Bahn in zwei Punkten erhebliche Mängel bezüglich einer vollständigen Barrierefreiheit aufweist:
Unser Bahnsteig ist im Bereich der Treppenabgänge 6,79 Meter breit. Zwischen den Treppenwangen und der Bahnsteigkante verbleiben auf der Pöringer Seite nur 1,86 Meter und auf der Zornedinger Seite sogar nur 1,73 Meter. Gefordert sind aber für jede Seite mehr als 2 Meter. Deshalb befinden sich auch über den Treppenabgängen gelbe Warntafeln der Bahn, die darauf hinweisen dass der Durchgang an dieser Stelle für Rollstuhlfahrer nicht geeignet ist. Damit muss man eigentlich schließen, dass rund 55 Prozent unseres Bahnsteigs (also von Beginn der westlichen Treppe bis zum östlichen Bahnsteigende) nicht behindertengerecht sind.
Auf den ersten Blick mag ja der Spalt zwischen dem Triebwagen ET 423 und dem Bahnsteig in Zorneding recht schmal sein …
(Foto: Peter Pernsteiner)
Zudem habe ich auf der Sitzung darauf hingewiesen, dass bei den haltenden S-Bahnen ein Restspalt von 18 cm zwischen Einstieg und Bahnsteigkante ist. Für Rollstuhlfahrer ist dies sehr problematisch. Laut Bundesarbeitsgemeinschaft ÖPNV der kommunalen Spitzenverbände (vom September 2014) kann man von einer vollständigen Barrierefreiheit nur sprechen, wenn der Ein- und Ausstieg mit Rollstuhl oder Rollator ohne besondere Erschwernis möglich ist. Gemäß den anerkannten Regeln der Technik ist nur ein Maß von maximal 5 cm für den Restspalt und die Reststufe akzeptabel.
… bis zur oberen Kante des Einstiegs sind es aber 18 cm, die nicht nur für Rollstuhlfahrer mit kleinen Vorlaufrädern problematisch ein können.
(Foto: Peter Pernsteiner)
Fehlender Sicherheitsraum unter dem Bahnsteig
Wenn ein Schnellzug aus Salzburg auf Gleis 3 mit rund 200 Sachen am Zornedinger Bahnhof vorbeidonnert, dann ist er nur 4,7 Meter von der Bahnsteigkante entfernt und zwischen Zug und S-Bahn bleiben lediglich 1,5 Meter Zwischenraum. (Foto: Peter Pernsteiner)
Ein drittes erhebliches Manko des Bahnsteigs betrifft die Sicherheit. Wenn mal jemand aufs Gleis fällt, gibt es in Zorneding nämlich keinen Sicherheitsraum unter dem Bahnsteig. Auf der Pöringer Seite ist er auch nicht erforderlich, weil man ja nebenan keine weiteren Gleise hat. Auf der Seite mit den Ferngleisen wäre dieser Unterschlupf-Hohlraum mit üblicher Weise 70 cm Tiefe und Höhe schon sehr sinnvoll, denn bei einer herannahenden S-Bahn kann man sich nicht so ohne weiteres auf die Ferngleise retten, weil das nächste Gleis zum Teil mit rund 200 km/h befahren wird. Zwischen einer S-Bahn und beispielsweise einem Railjet-Zug bleiben nur etwa 1,5 Meter und der Sog eines so schnellen Zuges ist sehr gewaltig. Zudem ist das Schotterbett zwischen Gleis 3 und 4 nicht eben, sondern enthält zu Teil Randsteine sowie Kabel für diverse Signaltechnik.
Bahn soll vollständige Barrierefreiheit in Zorneding herstellen
Gemäß Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sind die Aufgabenträger des ÖPNV verpflichtet, in Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, schon bis 2022 die vollständige Barrierefreiheit deutschlandweit herzustellen. Deshalb machte es auch Sinn, dass der Gemeinderat am 30.4. folgenden Beschluss mit 15:2 Stimmen gefasst hat: „Der Barrierefreie Ausbau des Mittelbahnsteigs durch die Gemeinde wird derzeit nicht weiterverfolgt. Die Deutsche Bahn wird aufgefordert die vollständige Barrierefreiheit im Zuge weiterer Bautätigkeiten (Bahnhofsgebäude, Bahnsteigsanierung), zumindest jedoch bis 1. Januar 2022, herzustellen.
Bahnsteig-Reiseservice als neue Dienstleistung
Im weiteren Verlauf der Diskussion haben allerdings auch alle im Gemeinderat vertretenen Parteien für die rasche Verfolgung einer weiteren Idee plädiert: Eine Art Fahrservice für Rollstuhlfahrer. Wenn man bedenkt, dass im Falle von Aufzügen selbst beim Bau durch die Bahn oftmals die Betriebskosten für diese Aufzüge von der Gemeinde getragen werden müssen, dann könnte man mit dieser Summe viel „anstellen“. Für drei Aufzügen geht man üblicher Weise von 90.000 bis 100.000 Euro pro Jahr aus. Mit diesem Geld könnte man also durchaus in Zorneding eine Art „Ruftaxi“ zum Bahnsteig realisieren – natürlich kein normales Taxi, aber eine Art Golfcaddy oder ein Elektrofahrzeug mit beispielsweise Platz für einen Rollstuhlfahrer nebst Reisegepäck.
Und so ein Bahnsteigservice müsste auch gemäß den Richtlinien der Bahn zur Planung von Personenbahnhöfen möglich sein, denn in Ril 813.0201 heißt es in Abschnitt 1 (1) unter Funktion der Bahnsteige: „Bahnsteige können für kleine Transporte mitgenutzt werden, wenn der Kundenstrom nicht behindert wird.“
In diesem Sinne haben wir im Gemeinderat am 30.4. schließlich noch mit 15:2 Stimmen beschlossen, dass der GBU (Grundstücks-, Bau- und Umweltausschuss) alternative Zugangsmöglichkeiten zum Bahnsteig für eine der nächsten Gemeinderatssitzungen vorbereiten soll.